2022: Kick Off - Netz(ent)würfe: Filmkulturen in NRW

KICK-OFF-EVENT IM RAHMEN DER DUISBURGER FILMWOCHE + doxs!


2021 hat sich das Netzwerkfilmkultur NRW e.V. gegründet und möchte sich mit diesem Kick-Off-Event erstmals offiziell vorstellen. Wie genau sieht die Gemeinschaft aus, die wir in der Filmkultur schaffen? Welche Barrieren gilt es zu überwinden? Welchen Einfluss erzielen wir im ländlichen Raum? Wie können wir Machtumverteilung nicht nur einfordern, sondern auch strukturell umsetzten? Eine Veranstaltung zum Kennenlernen und Mitdiskutieren. All welcome!

Protokoll

„Ach, Du auch hier? Schön Dich zu sehen!“ Beim Kick-Off Event des Netzwerk Filmkultur NRW e.V. trafen sich viele alte Bekannte wieder. Kein Wunder, denn „informell besteht das Netzwerk bereits seit über 20 Jahren“, erklärt Christina Essenberger, Geschäftsführerin des Internationalen Frauen* Film Fests Dortmund+Köln, in der allgemeinen Vorstellungsrunde. 1990 erfolgte der erste, freie Zusammenschluss filmkulturell tätiger Einrichtungen in NRW. Nach verschiedenen (auf der Webseite des Netzwerks unter „Historie“ aufgeführten) Stationen und Wegmarken, fand 2021 die Vereinsgründung statt, im Frühjahr 2022 nahm das Netzwerk die Arbeit auf. Das hier beschriebene Event soll der offizielle Startschuss sein. Mitglieder sind verschiedene Akteur:innen aus der Filmkultur, die ihre Leidenschaft für den Film, dessen Vermittlung, Produktion, seine Geschichte und künstlerischen Qualitäten eint.

Nach der Begrüßung durch Lucienne Laven, die im April 2022 die Geschäftsführung des Netzwerks übernommen hat, spricht GRÜNEN-Politikerin Christina Osei einige einführende Worte. Sie ist seit 2022 Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien im NRW-Landtag und gibt sich als ausgesprochene Filmliebhaberin zu erkennen: „Kino ist mehr als Fernbedienung und TV, mehr als Kommerz. Kino ist gemeinsames Filmerleben.“ Nach ihrer Begrüßung stellen sich die anderen anwesenden Mitglieder des Netzwerks vor und formulieren ihre Erwartungen. Einige erhoffen sich Erfahrungsaustausch, für andere ist es besonders wichtig, die Filmkultur als Ganzes solidarisch nach außen zu repräsentieren und gemeinsame Forderungen so zu bündeln. Mehr Sichtbarkeit für die Filmkultur ist ebenfalls ein zentrales Anliegen.

Bevor die harten Themen auf den Tisch kommen, möchte Moderatorin Anke Bruns, dass sich alle nochmal die eigenen Stärken vor Augen führen. Miteinander gesprochen wird dabei nicht in der klassischen Panelsituation. Stattdessen sitzen die jeweils Diskutierenden in der Mitte, im Kreis von den anderen Teilnehmer:innen umrahmt. Wer etwas zu sagen hat, steht auf und löst mit einem Tippen auf die Schulter jemanden aus dem inneren Zirkel ab. Das Fishbowl genannte Konzept wird gut angenommen. Positiv auf die eigenen Fahnen schreiben sich die Diskutant:innen eine umfangreiche Bandbreite an Content, talentierte Filmemacher:innen in der Region sowie ein breit gemischtes Publikum.

Erst danach geht es an die konkreten Problemstellungen. Die Abspielstätten scheinen mit ihrem ganzjährigen Betrieb am härtesten zu kämpfen. Vera Schoepfer vom Filmhauskino Köln berichtet von insgesamt 1.000 Vorstellungen im letzten Jahr, gut 140 davon mit Rahmenprogramm und Gästen. „Wir haben nur eine einzige volle Stelle, sind insgesamt sechs Leute im Team, die alle auf dem Zahnfleisch gehen“, fasst sie die Situation zusammen. Petra Schmitz, Ehrenmitglied des Netzwerks, regt an, Filmkultur auch an andere Orte zu bringen, zum Beispiel in ländliche Regionen. Osei pflichtet bei, Kino müsse künftig anders gedacht werden, während Regisseurin Gabriele Voß eine verbesserte Finanzierung der Filmkultur allgemein und speziell der Kinos für nötig hält.

Maxa Zoller, Leiterin des Internationalen Frauen* Film Fest Dortmund+Köln, kommt in diesem Kontext auf die desinteressierte Lokalpresse zu sprechen: „Aber das liegt nicht an den Journalist:innen, die wollen schreiben. Die Redaktionen geben ihnen nur keine Aufträge“. Jan Wagner von der Filmwerkstatt Düsseldorf ergänzt „Medien formatieren die Orte, wo Filme stattfinden. Aber ich wüsste nicht, was wir an der Lage des Journalismus ändern könnten“. Andere Ideen müssen her und zum Brainstormen ist das der Ort und die Zeit. Christine von Fragstein wirft ein, dass im Bereich Marketing und Social Media noch mehr getan werden müsse, um auch ein anderes, jüngeres Publikum anzusprechen und wieder ins Kino zu locken. Osei appelliert, auch ältere Zuschauer:innen nicht aus dem Blick zu verlieren und die Menschen anders „abzuholen“.

Der anregende und faire Austausch wird parallel von Jenny Krüger, Geschäftsführerin des Edimotion Festivals für Filmschnitt und Montagekunst sowie im Vorstand von KinoAktiv e.V., auf Karteikarten notiert. Am Ende finden sich an der Pinnwand unter der Rubrik „Was muss passieren?“ unter anderem folgende Punkte: Noch mehr Mut bei der Programmauswahl und dabei, eigene Bedürfnisse zu formulieren beziehungsweise auch aktiv einzufordern. Mehr Geld für Personal sowie neues Publikum müsse akquiriert werden. Auch der Wunsch danach, Filmkultur von Besucher:innenzahlen unabhängig zu machen, wird in den Raum geworfen. Osei mahnt dabei an: „Die Politik wird keine leeren Kinosäle finanzieren. Aber ich sehe hier im Raum sehr viel Leidenschaft und das ist es, was zählt.“ Vera Schoepfer bringt das Pfund, mit dem hier alle zu recht wuchern können, auf den Punkt: „Wir haben das Kino und viele tolle Filme, das sollten wir nutzen. Kino is caring.“ Zusätzlich zu den alten Bekanntschaften werden hier beim Kick-Off sicherlich auch neue Connections geknüpft. Denn die Arbeit des Netzwerks hat gerade erst begonnen.

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