12.03.25
Stellungnahme des Netzwerks Filmkultur NRW - die freie Szene ist in Gefahr!

Stellungnahme des Netzwerks Filmkultur NRW e.V. zum Antrag „Kulturelle Vielfalt sichern – Kulturförderung stabilisieren und Förderportale für 2025 unverzüglich freischalten“ der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP, Drucksache 18/12022 Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien am 13. März 2025
Die Filmkultur in NRW ist nahezu ausschließlich als Freie Szene organisiert. Ihre dezentrale Struktur geht auf spezifische regionale Bedürfnisse ein – von urbanen Zentren bis in ländliche Räume. Festivals, Filmwerkstätten, Kinos und Bildungsangebote werden von unabhängigen Akteur:innen getragen, die ihre Expertise gezielt einbringen. Das Netzwerk Filmkultur NRW verbindet sie.
Mit vergleichsweise geringen Landesfördermitteln von 2,4 Millionen Euro werden vier Filmhäuser- und Filmwerkstätten, rund 10 Festivals sowie zahlreiche Filminitiativen und Filmbildungsprojekte unterstützt und ein breites Publikum erreicht. Trotz des begrenzten Budgets ermöglicht diese Förderung, Film als niedrigschwelliges, integratives Kulturangebot zu gestalten und dadurch kulturelle Teilhabe sowie gesellschaftliche Verständigung zu stärken – gerade in Zeiten wachsender Spaltung. Stockt die Förderung, leidet nicht nur die Branche, sondern auch das Publikum, das dieses Angebot nutzt. Film verbindet Menschen – unabhängig von Herkunft und Bildung. Um diese Funktion zu erhalten, braucht es stabile und verlässliche Strukturen. Die Filmkultur in NRW ist stark, weil sie vielfältig und vernetzt ist – doch nur mit gesicherten finanziellen Rahmenbedingungen kann sie diese Stärke bewahren.
Die Freie Szene ist in Gefahr!
Die aktuellen Verzögerungen und Unsicherheiten bedrohen die Freie Szene als Ganzes. Künstler:innen der Freien Szene arbeiten inhaltlich, methodisch und strukturell unabhängig, selbstbestimmt und selbstorganisiert. Sie sind nicht primär marktorientiert oder kommerziell und in der Regel nicht in festen Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Ihre Kunst entsteht oft an wechselnden Orten und in unterschiedlichen Konstellationen – frei von wirtschaftlichen Verwertungszwängen sowie frei von inhaltlichen und strukturellen Vorgaben. Diese Arbeitsweise ist eine Stärke – aber sie wird durch unzuverlässige Förderbedingungen systematisch geschwächt. Besonders verheerend ist dies für die Filmkultur: Fehlende Planungssicherheit und verspätete Bewilligungen bringen viele in existenzielle Schwierigkeiten und können ohne private Einlagen sogar Insolvenzen nach sich ziehen- ein klarer Nachteil für die Strukturen der Freie Szene gegenüber dem kommerziellen Filmsektor.
Für das filminteressierte Publikum bedeutet das: Monatelang bleibt die Filmkultur aus, weil bewilligte Mittel erst im zweiten Halbjahr abrufbar sind.
Für die Filmkultur bedeutet das:
• Sie kann ihre gesellschaftliche Funktion in dieser Zeit nicht erfüllen.
• Die Akteur:innen geraten in schärfere Konkurrenz untereinander, was die strukturelle Benachteiligung der Freien Szene verstärkt.
• Kommerzielle Angebote nehmen diesen Raum ein – ohne die Vielfalt, die die Filmkultur auszeichnet.
• Nachhaltige Strukturen brechen weg – ohne verlässliche Finanzierung zerfallen Netzwerke, Kooperationen und Infrastrukturen.
• Projekte werden verschoben oder ganz aufgegeben, da das finanzielle Risiko zu groß ist.
• Einzelne Akteur:innen stehen vor dem Aus, wenn Fördermittel zu spät oder gar nicht kommen.
Probleme der aktuellen Förderpraxis
• Verpflichtungsermächtigungen bieten Scheinsicherheit.
Statt frühzeitiger Bewilligungen kommen Bescheide oft spät – 2023 gab es erhebliche Verzögerungen für die Förderungen des Jahres 2024 und für 2025 liegen sie noch immer nicht
vor. Es fehlt hierdurch die notwendige Planungssicherheit, um langfristige Projekte zu gestalten. In einigen Fällen droht ohne private Kredite die Insolvenz.
• Kurzfristige Änderungen und Neuanträge führen zu noch längeren Verzögerungen.
Mitte Dezember 2024 gab es kurzfristige Kürzungen und Anpassungen für 2025. Ende Januar wurden weitere Änderungen kommuniziert, die erneut neue Anträge erforderten – der Bewilligungsprozess zieht sich weiter in die Länge und verhindert somit inhaltlich an den Programmen zu arbeiten.
• Projektmittel werden zu spät bewilligt.
Förderbescheide für „Kultureller Film: Allgemeine Projektförderung“ und „Filmbildung & Kino“ kommen oft so spät, dass Projekte fast nur noch in der zweiten Jahreshälfte umgesetzt werden können.
• Tarifkostenausgleich und Honoraruntergrenze bleiben unberücksichtigt.
Nur an einer Stelle wurde ein Tarifkostenausgleich gewährt, für alle anderen Akteur:innen bleibt dieser aus. Auch die steigenden Kosten durch die Honoraruntergrenze werden nicht ausgeglichen. Fehlen diese Mittel, wird entweder das Personal nicht angemessen bezahlt – was auf Ausbeutung hinausläuft – oder man kann bestimmte Projektteile nicht mehr umsetzen, da das Geld fehlt.
Diese Praxis bedroht die Filmkultur in NRW in ihrer Substanz.
Forderungen zur Sicherung der Filmkultur in NRW
✅ Frühzeitige Garantien für Filmkultur-Projekte
• Projekte müssen auch dann umgesetzt werden können, wenn noch keine Bewilligungen vorliegen.
• Ohne solche Garantien bleibt die Filmkultur bis zur Bewilligung – oft bis zur zweiten Jahreshälfte – aus. Das Publikum verliert den Zugang zur freien Filmkultur, während kommerzielle Angebote weiterhin bestehen.
✅ Sofortige Bewilligung aller ausstehenden Verpflichtungsermächtigungen für 2025
• Die aktuelle Verzögerung ist existenzbedrohend, insbesondere für das Netzwerk Filmkultur NRW e.V., das dadurch vor der Insolvenz steht.
✅ Frühzeitige und verbindliche Bewilligungsbescheide für Projekte der Förderprogramme „Kultureller Film: Allgemeine Projektförderung“ und „Filmbildung & Kino“.
• Eine Kulturförderung, die erst im zweiten Halbjahr greift, ist für die Freie Szene nicht tragfähig.
✅ Strukturelle Förderung für zentrale Akteur:innen der Filmkultur
• Verpflichtungsermächtigungen sind eine Scheinsicherheit. Langfristige Strukturen können nur erhalten bleiben, wenn zentrale Akteur:innen institutionell gefördert werden.
✅ Verlässliches Fördersystem mit Sicherheitsgarantie für die Freie Szene
• Die Filmkultur darf nicht systematisch benachteiligt werden – weder gegenüber kommerziellen Angeboten noch gegenüber anderen Kultursparten.
✅ Tarifkostenausgleich für alle Akteur:innen der Freien Szene
• Der Tarifkostenausgleich muss für alle Akteur:innen der Filmkultur gewährleistet werden, um eine faire Entlohnung sicherzustellen und gleichzeitig die finanzielle Belastung der Projekte zu decken.
Diese Forderungen sind essenziell, um die Filmkultur in NRW als lebendige, zugängliche und vielfältige Kunstform zu sichern. Ohne verlässliche und frühzeitige Förderung wird die Freie Szene geschwächt – und mit ihr die kulturelle Vielfalt Nordrhein-Westfalens.